Retzow-Rechlin

Außenlager

RECHLIN, Grab meiner Kameraden Ich wusste schon in jungen Jahren, was Rechlin für meine Mutter Denise Rousseau-Villard bedeutete, seit ich das Buch: La grande Misére (Das große Elend), das Maisie Renault schrieb, gelesen hatte. 1971 schrieb meine Mutter einen Text, der von Christian Bernadac veröffentlicht wurde, mit dem Titel: "Ce qui fut le pire" (Was das Schlimmste war). Meine Mutter wurde zusammen mit ihrer Schwester mit einem Konvoi nach Ravensbriick, in dem sich auch Jacqueline Fleury und Marie-Sylvie Girard- Cordier befand, deportiert. Die französischen Widerstandskämpferinnen, die sich in diesem Transport befanden, waren Rebellen, die als politische Gefangene von den Nazis in sogenannte " Vergeltungslager " Lager verschleppt wurden.

Denise wurde nach Kenigsberg an der Oder geschickt, dann nach Rechlin und schließlich nach Ochsenzoll. In Rechlin, mitten im Winter, tarnten die Deportierten Flugzeuge und gruben die Pisten auf dem gefrorenen Boden aus. Es war ein sehr großen Gebäude. Es gab keineBetten, wir schliefen auf dem Zement, ohne Decken. Wir bekamen Ruhr (...) Die Latrinen liefen über. Am Morgen sammelten wir die Toten ein. Welch schreckliches Massaker. Am Tag vor dem Besuch wies ich & meine Kolleginnen & Kollegen auf meinen Link & Rechlin hin. Der Besuch wurde entsprechend vorbereitet. Vor Ort entdeckten wir den Namen meiner Mutter auf dem Denkmal der Deportierten, die an diesem Ort gearbeitet hatten: Ein Pult mit einem Auszug aus "Was war das? Das „Schlimmste". Nach einer Kranzniederlegung und der Lesung des Textes durch vier Kameraden des IRK, bat Constance Jaiser mich, etwas zu sagen. Da ich keine Tränen mehr habe, um über dieses Thema zu weinen, kann ich diese Zeit nutzen und Rechlin in aller Ruhe in der Geschichte verorten. Die Geschichte meiner Mutter, von ihrem Engagement in der Résistance, Ihrem Widerstand bis zu ihrem Tod. "Rechlin, das Grab meiner Kameraden... Ich kann diesen Namen niemals hören, ohne vor Entsetzen zu erschrecken Dominique VILLARD

Grüneberg

Eröffnung April 1944 / 1941/42 [LIT] Schließung Die Häftlinge wurden am 20.04.1945 evakuiert nach KZ Ravensbrück Häftlinge In der Mehrheit Russinnen, Polinnen Ukrainerinnen und Tschechinnen, aber auch Estinnen, Litauerinnen nd Jugoslawinnen. Vereinzelt auch Griechinnen und französische Jündinnen. Im Juli 1944 waren ca. 1.000 bis 1.500 Frauen inhaftiert. Geschlecht Frauen Einsatz der Häftlinge bei Munitionsfabrik GmbH (vor dem Krieg: Polte-Grünberger-Metall-Konzern)/Herstellung von Bomben und Patronen [LIT] Art der Arbeit Zunächst wurden die Frauen zum Ausbau des Lagers eingesetzt, später mußten sie in der Munitionsfabrik arbeiten.

"Jugendschutzlager" Uckermark

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Vor allem Häftlinge des Männerlagers errichteten das ebenfalls zum Lagerkomplex Ravensbrück gehörende „Jugendschutzlager" Uckermark, das zum 1. Juni 1942 mit zwei Baracken - davon eine für die „Erzieherinnen" und eine für die „Zöglinge" - eröffnet wurde und als „Jugenderziehungslaqer" für weibliche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren dienen sollte.

Mitte 1944 umfasste es etwa 15 Baracken. Das Lager unterstand dem Kommandanten des Frauenkonzentrationslagers. Etwa 1.000 Mädchen und junge Frauen waren dort unter Bedingungen inhaftiert, die sich von denen des Frauenkonzentrationslagers kaum unterschieden.

Ab Dezember 1944 verfügte die SS eine schrittweise Räumung und damit Auflösung des Jugendlagers. Die Mädchen und jungen Frauen wurden mehrheitlich ins Frauen-KZ verlegt, andernorts in der Kriegsindustrie eingesetzt oder auch nach Hause entlassen. Das Areal des „Jugendschutzlagers" Uckermark wurde fortan zu einem Sterbe- und Selektionslager und damit zur größten Todeszone des Konzentrationslagers Ravensbrück umfunktioniert.

Das sog. Jugendschutzlager Uckermark war Teil des SS-Lagersystems. In dieses Lager wurden Mädchen eingewiesen, die als „asozial“ galten, wobei dieser Begriff sehr weit ausgelegt wurde. Er führte dazu, dass hier vorbestrafte Mädchen, sog. „Arbeitsscheue“, Mädchen, die als „asozial“ oder „verwahrlost“ galten oder nach nationalsozialistischen Maßstäben „zu verwahrlosen drohten“, Mädchen, die „sexuell schwer gefährdet“ waren, Sinti und Roma oder Mädchen, die der „Swing-Jugend“ angehörten, u. a. eingewiesen wurden. Spätestens ab 1942 wies die Gestapo auch mit sog. Schutzhaft belegte minderjährige Gefangene in das Jugendschutzlager ein. Und ab 1943 befanden sich auch andere Häftlingsgruppen in dem Lager, so z. B. slowenische Mädchen, die den Partisanenkampf unterstützt hatten, Polinnen, die aus den verschiedensten Gründen inhaftiert wurden u. a.

Die Einlieferung in das Jugendschutzlager Uckermark erfolgte über das KZ Ravensbrück. Die Jugendlichen hatten hier die gleichen Prozeduren über sich ergehen zu lassen, wie die Frauen. Im Lager Uckermark angekommen, wurden die Mädchen auf verschiedene Blocks verteilt, auf den Beobachtungsblock, Blöcke verschiedener Kategorien, auf den Ausleseblock für Gestapohäftlinge und auf den Sonderblock für die slowenischen Mädchen und junge Frauen.

Der Lageralltag wurde später von den ehemaligen Häftlingen durchweg als brutal beschrieben. Es herrschte absolutes Redeverbot. Kontakte zwischen den Häftlingen sollten nicht stattfinden. Egal bei welchen Temperaturen, wurde täglicher Frühsport im Freien in spärlicher Bekleidung und mit anschließendem kalten Duschen angeordnet. Alles passierte zur Trillerpfeife, mit militärischem Drill. Das Appellstehen gehörte wie in Ravensbrück jeden Tag dazu. Prügel und Hunger waren allgegenwärtig. Vor allem aber wurden die Mädchen und jungen Frauen in verschiedenen Werkstätten, in der Landwirtschaft, im Gartenbau ebenso ausgebeutet, wie die Frauen von Ravensbrück auch, was der SS hohe Gewinne einbrachte.

(Quelle: Das Mädchenkonzentrationslager Uckermark, Hrsg.: Katja Limbächer, Maike Merten, Bettina Pfefferle, UNRAST-Verlag Münster, 2005; Merten, Limbächer; Das Jugendschutzlager Uckermark: ein Experimentierfeld f. d. Umsetzung rassenhygienischer Utopien an Mädchen und jungen Frauen, S. 16 – 44, ISBN 3-89771-204-0)

Eine ehemalige Inhaftierte berichtete über den brutalen Alltag im Jugendkonzentrationslager Uckermark: „Bei uns oben waren einige Zigeunerinnen, sehr junge. Da war ein Zwillingspärchen, das sie sehr viel geschlagen haben. Warum? Einfach, weil sie Zigeuner waren (…)Wir haben die Mädchen hier abends beim Duschen gesehen, wie sie grün und blau waren. Vor allem die kleinen Zigeunermädchen, aber auch die anderen. Quelle: „Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma“, S. 177, Hrsg.: Romani Rose, Dokumentations-und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, 1995, ISBN 3-929446-01-4

Slowenische Mädchen und junge Frauen waren in einem „Sonderblock“ inhaftiert. Sie hatten in ihrer Heimat den Befreiungskampf gegen die deutschen, italienischen und ungarischen Besatzer unterstützt.

Das heutige Mitglied des IRK, Stanka Krajnc Simonetti (geb. 06.9.1928 bei Maribor), war zunächst im A-Block, später im Sonderblock. Wie alle anderen berichtet auch sie von täglicher Zwangsarbeit, Hunger und Schikanen. Ihre eindrücklichsten Erinnerungen sind die Erniedrigungen, die sie und ihre Mitgefangenen erleiden mussten. „... Wie sie uns kleinkriegen konnten. Parieren, gehorchen, nicht sprechen, still sein. ...“ „... Demütigung war ein wichtiger Teil der „Sozialerziehung“. Sie wollten dich brechen, deine Selbstachtung vernichten! Du bist sechzehn oder siebzehn und bist kahlgeschoren an Kopf und Körper, du hast Krätze an der Nase und der Wange, du hast schmutzige Kleidung und weil du fast immer frierst auch eine besonders „schlampige Haltung“ und weil du immer „schnell, schnell“ laufen musst, ziehst du die unglücklichen Füße mit schrecklichen Holzschuhen am Boden nach. Wenn du Durchfall hast, lassen die dich nicht austreten und dann ist alles beschmutzt und du bist „eine verfluchte Sau“...“

Der Zusammenhalt mit den anderen Mädchen half Stanka durch diese schwere Zeit. Stanka war bis Anfang April 1945 im Lager Uckermark. Sie beobachtete die Umwandlung des Lagers in ein Selektions- und Vernichtungslager. „Die deutschen Mädchen sind vor uns gegangen, weil die SS die Baracken für das Vernichtungslager gebraucht hat. Schrecklich sah es aus, als die Transporte mit Männern und Frauen angekommen sind. Das habe ich noch gesehen, dann, Anfang April, bin ich evakuiert worden.“ Evakuiert, das bedeutete Zwangsarbeit und Gefängnis für die Mädchen. Die Befreiung erlebte Stanka in Güstrow.

Interview mit Dr. Stanka Krajnc Simonetti am 03.03.2000, in: Silvija Kavcic; Überleben und Erinnern, Slowenische Häftlinge im Frauen- Konzentrationslager Ravensbrück, 2007, Metropol Verlag; S. 299; Katja Limbächer, Maike Merten, Bettina Pfefferle (Hg); Das Mädchenkonzentrationslager Uckermark, 2. Auflage, Juni 2005; UNRAST-Verlag Münster; Porträt Stanka Simoneti-Krajnc; Heike Rode in Ravensbrück Blätter, Dezember 2010

Lucja Barwikowska (geb. 1927 bei Gdansk) war 16 Jahre alt, als sie im Mai 1943 an ihrer Arbeitsstelle beim Katasteramt in Tczew (Polen) verhaftet wurde. Mit ihren Eltern und ihrer 14-jährigen Schwester sowie Familien aus der Nachbarschaft war sie eine Woche lang in einem dunklen Kellergebäude in Gestapo-Haft. Ihre Verhaftung war eine Vergeltungsaktion, weil sich ihr Bruder und andere junge Männer aus der Nachbarschaft nach ihrer Zwangsrekrutierung dem Dienst für die Deutschen entzogen hatten. Auf dem Weg nach Norwegen sprangen sie in Schweden aus dem Zug.

Lucja und alle anderen wurden in das Konzentrationslager Stutthof deportiert. Dort musste sie schwerste Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, in den Werkstätten der Deutschen Ausrüstungswerke (DAW), in der Sattlerei und der Gurtweberei leisten. Im Mai 1944 wurden Lucja, ihre zwei Jahre jüngere Schwester und ihre Freundin Bronka nach Ravensbrück gebracht. Damit wurden sie von ihrer geliebten Mutter getrennt, was das Schlimmste für sie war. Nach der Aufnahmeprozedur in Ravensbrück, kamen sie in das KZ Uckermark. Die zwei Schwestern und ihre Freundin wurden auseinander gerissen und konnten keinen Kontakt mehr untereinander halten. Lucja kam in den Block der Sloweninnen. Auch in diesem KZ musste sie wieder in verschiedenen Arbeitskommandos arbeiten: in der Strickerei, im Waldkommando, im Hofkommando, Kaninchenzucht, Wäscherei. Es gehörte zum “Erziehungskonzept“ im Lager Uckermark, die Mädchen keine Sekunde aus den Augen zu lassen, sie nicht zur Besinnung kommen zu lassen. Zum Ende der Haft arbeitete sie als Lagerläuferin und im Revier. Besonders entwürdigend und gesundheitsschädigend waren die pseudomedizinischen gynäkologischen Untersuchungen, denen die jungen Frauen ausgesetzt waren. Begonnen hatte dies bereits im KZ Stutthof und wurde dann im KZ Uckermark fortgesetzt. Ihre Freundin Bronka war anschließend unfruchtbar. Auch Lucja und ihre Schwester konnten beobachten, wie Ende 1944 Teile des KZ Uckermark abgetrennt wurden, um auf der anderen Seite ein gesondertes Lager für Kranke und Schwache aus Ravensbrück zu errichten, um diese hier unter noch grausameren Bedingungen, als sie schon im KZ Ravensbrück herrschten, noch schneller sterben zu lassen und zu ermorden. In den letzten drei Wochen vor ihrer Befreiung mussten die beiden Schwestern Zwangsarbeit in einem Hotel in Fürstenberg leisten.

Die 200 km nach Hause gingen sie zu Fuß. Ihre Mutter hatte das KZ nicht überlebt, der Vater war krank, ihre Wohnung ausgebombt.

(Quelle: Ravensbrückblätter, September 2011, S. 16/17, Porträt von Konny Wermich und Petra Voss)

Anita Köcke (geb. am 17.01.1925 in Weimar) Anita Köcke wurde am 17. Januar 1925 als uneheliches Kind von Anna Lydia Lindner in Weimar geboren. Ihre Mutter arbeitete und konnte sich nicht um ihre Tochter kümmern. Das Jugendamt gab sie zu Pflegeltern, bis sie 1933, im Alter von 8 Jahren, bei einer Tante untergebracht wurde. Sie hielt es dort aber nicht aus, sie wollte zu ihrer Mutter. Stattdessen wurde sie in ein Kinderheim in Schwarzenberg (Erzgebirge) gegeben. Als sie zehn Jahre alt war, nahm die Schwester ihrer Mutter sie auf ihrem Hof auf. Anita melkte morgens die Kühe und ging dann zur Schule. Mit 14 Jahren (1939) absolvierte sie das Pflichtjahr in Lindlar. Mittlerweile hatte Deutschland den Krieg begonnen. Ohne Erlaubnis verließ sie die Arbeitsstelle bei einem Bauern, um ihre Mutter in Gera zu besuchen. Um ihr eine Freude zu bereiten, hatte sie von seinem Hof Wurst und Butter mitgenommen. Dies blieb nicht unbemerkt und der Bauer zeigte sie wegen Diebstahls an. Dieses Mal kam Anita in ein Erziehungsheim. Von hier ging es nach dem Prozess in Kiel in das Gefängnis in Neu-Brandenburg. Über ein Arbeitslager in Glücksstadt sowie ein Mädchenheim in Kiel kam sie im Winter 1942/43 nach Ravensbrück, in das KZ Uckermark. Stolz erinnerte sie sich daran, dass sie sich immer gewehrt hat und sich auch oft für andere eingesetzt hat. Aus diesem Grund war sie die meiste Zeit ihrer Inhaftierung im Block 6, dem Strafblock. Kameradschaft und Solidarität hat es für sie im Lager immer gegeben. Sie sagte auch später noch: “Wenn man das alles gesehen hat, muss einer den Mund aufmachen!“ Anita wurde im Lager sehr krank. Sie musste dennoch Zwangsarbeit für die Fa. SIEMENS leisten, stellte für die Firma Spulen her.

Ende April wurde sie mit anderen Frauen auf den Todesmarsch getrieben. Als sie von englischen Truppen befreit wurde, wog sie gerade noch 79 Pfund. Seelisch und körperlich brach sie zusammen, als sie die in München vermuteten Verwandten nicht fand. Nur langsam kam sie wieder zu Kräften. Sie lernte einen Amerikaner kennen und ging mit ihm nach Frankfurt am Main. Aufgrund dieses Kontaktes und weil das Jugendamt immer noch über sie verfügte (Anita war über 20 Jahre alt!), wurde sie auf das Frankfurter Gesundheitsamt zitiert. Da aber erkannte sie in der dort tätigen Beamtin eine ehemalige KZ-Aufseherin (Leutner) und gab dieser das auch zu verstehen. Anita hatte sich (wieder einmal) nicht einschüchtern lassen und konnte ihrer Wege gehen. Glücklich fand sie in den 50er Jahren mit Hilfe des Roten Kreuzes ihre Mutter wieder. Am 21. März 1971 heiratete Anita ihren Mann Karl Köcke.

(Quelle: Ravensbrückblätter, März 2004, S. 5; Porträt von Tina Waschkewicz)

Hilde Lazik (geb. am 17.09.1925 in Nürnberg)
Hilde Lazik (geb. Meier) wurde am 17. September 1925 in Nürnberg geboren in einer Familie mit 11 Kindern auf. 1942 folgte sie der Aufforderung, sich zum Reichsarbeitsdienst zu melden nicht. Dann wurde sie von der Polizei gesucht, weil sie Kontakt zu „fremdvölkischen“ Menschen hatte. Sie hatte heimlich russische Zwangsarbeiter mit Kartoffeln versorgt.

Im Herbst 1942 wurde Hilde von der Polizei verhaftet. Ohne Verhandlung war sie ein Jahr im Gefängnis. Nach einer Flucht kam sie –achtzehn-jährig - nach Ravensbrück.

In Ravensbrück gehörte sie zu den „Verfügbaren“, d.h. sie musste jede gerade anfallende Arbeit machen, z. B. Leichen aus der Toilette holen. „Das war die schlimmste Arbeit, die ich je machen musste.“ Nach drei Monaten kam sie in das KZ Uckermark. Sie erinnerte sich an einen Galgen, an dem drei Mädchen hingen und den anderen zur Abschreckung gezeigt wurden. „Seht genau hin, so geht’s Euch, wenn ihr nicht spurt!“ Hilde ist Schlimmes widerfahren. Sie wurde einem gynäkologischen Eingriff unterzogen und konnte nie Kinder bekommen.

Hilde Lazik erinnert sich auch an Kinder im Lager sowie an viele unterschiedliche Nationalitäten: „Es wurden eigentlich alle Sprachen gesprochen, Russisch, Französisch, Polnisch…“ Überwiegend waren aber deutsche Mädchen im Konzentrationslager Uckermark.

Im April 1945 wurde Hilde mit den anderen Mädchen auf den Todesmarsch getrieben und von der Roten Armee befreit. Nach ihrer Rückkehr nach Nürnberg heiratete Hilde im Jahr 1953 Paul Lazik, der das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatte. Mit ihm konnte sie über das Erlebte sprechen.

(Quelle: Ravensbrückblätter, März 2007, S. 8, Porträt von Chris Rotmund)

Stanisława Tkaczyk (geb. 1927 in Warschau) Ich erkrankte schwer an einer Rippenfellentzündung. Ich war sehr schwach, so wurde ich während der Selektion ins KZ Uckermark geschickt, wo Häftlinge gesammelt wurden, die man umbringen wollte. Dort saß auch Halina Walczuk mit ihrer Mutter. Das war ein Lager in der Nähe von Ravensbrück, das man nicht mehr verließ. Ich wurde dorthin gebracht, als ich nicht mehr gehen konnte. Meine Beine sahen wie Stöcke aus, und die Füße waren unglaublich geschwollen. Während der Selektion wurde ich beiseite gestellt, man sagte, dass ich nicht mehr arbeiten könne. Wir krochen auf allen vieren, weil wir keine Kraft mehr hatten. Wir schliefen auf dem Boden auf Stroh. Die Frauen, die ich dort traf, erschreckten sich, als sie mich sahen – bald sollte meine Entbindung kommen. Sie sagten zu mir: „Kind, diesen Ort verlässt man durch einen Schornstein. Aber wir versuchen, dich zu retten.“ Das waren Krankenschwestern. In Kürze sollten Kranke nach Ravensbrück abtransportiert werden. Sie haben es geschafft, mich irgendwie dazu zu schmuggeln und ich kam in den Revierblock im Lager. Dort war es umso besser, weil man nicht für Morgenappelle aufstehen musste. (…) Als mein Sohn zur Welt kam, hatte ich nichts für ihn. Es gab wenig Brot, außerdem war meine Schwester sehr hungrig und ich gab ihr von meinem Brot ab. Später organisierten die Frauen für mich irgendwelche Kleider von gestorbenen Kindern. (…) Ein paar Tage nach der Geburt fuhren wir nach Schweden. Das hat uns gerettet. Erst im Krankenhaus in Schweden wurden wir langsam gesund.

Quelle: "Recovering from oblivion - mymemories of Ravensbrück", editor and publisher H. Nowakowska, Warsaw,2010

Irma Trksak (02.10.1917 (Wien) – 11.07.2017 (Wien), ehem. Mitglied des IRK
wurde 1944 Stubenälteste in einem SIEMENS- eigenen „Lager“ direkt neben den Betriebsstätten. In „ihrer“ Stube förderte sie kulturelle Aktivitäten, es wurde gesungen, Sketches geschrieben und aufgeführt. Und es wurden auch politische Diskussionen geführt. Aber sie wurde verraten und Ende 1944 als Stubenälteste in das Lager Uckermark strafversetzt. Das war die Zeit, als das Lager Uckermark zum Sterbe- und Selektionslager und damit zur größten Todeszone des Konzentrationslagers Ravensbrück umfunktioniert wurde. „Dort bekamen die Häftlinge nichts zu essen, zu zweit oder zu dritt hatten sie nur eine dünne Decke und die hat man dann ihnen später auch noch weggenommen. Man nahm ihnen die Wolljacken ab und zuletzt auch noch die Strümpfe. Viele der Frauen tötete man mit Gift und Injektionen. Ab Mitte Februar 1945 wurden dann dort Selektionen für die Gaskammer durchgeführt.“ Irma verzweifelte. Um nichts in der Welt wollte sie an diesem Ort bleiben. Mit Hilfe von Lisl Thury, der Chefin der Lagerpolizei, gelang es ihr, wieder in das Hauptlager zurückzukommen.

(Quelle: Wiener Zeitung vom 30.04.1997, S. 30, Rainer Mayerhofer im Gespräch mit Irma Trksak)

Betty Wentz, die Mutter von Vera Modjawer (IRK-Mitglied), war im Januar 1945 aus dem KZ Auschwitz kommend, gemeinsam mit Lotte Brainin als Funktionshäftling in das Lager Uckermark geschickt worden. Betty, zur Lagerältesten bestimmt, musste schreckliche Selektionen mit ansehen, wie sich ihrer Aussage im Jahr 1947 gegen die verantwortlichen KZ-Aufseherinnen entnehmen lässt: „Nachdem die Gefangenen für die Gaskammer ausgesucht waren, wurden sie in die sogenannte Turnhalle gepresst. In dieser Turnhalle verblieben die Leute von einigen Stunden bis zu drei Tagen, ohne Trinken, Essen, Decken und ohne die Erlaubnis, auf die Toilette zu gehen. Es ist ganz klar, dass der Gestank in diesem Raum unerträglich war. Die Szenen, die ich dabei gesehen habe, waren so grausam, dass ich selbst einige Male einen Nervenzusammenbruch bekam. Besonders schrecklich war, wenn Mütter von ihren Töchtern oder Töchter von ihren Müttern getrennt wurden. Die SS machte sich lustig darüber, und es war für sie noch mehr Grund, Mütter und Töchter zu trennen und sie obendrein zu misshandeln….“

(aufgeschrieben von ihrer Tochter Vera Modjawer im Dezember 2019)

Nach der Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück konnten sich die noch dagebliebenen Frauen in den Baracken des ehemaligen KZ Uckermark einquartieren.

Rosel Jochmann schrieb in einem Brief nach Wien vom 21. Juni 1945: „Uns geht es hier sehr gut, wir haben genug zu essen und ich fürchte sehr, dass Euch Vieles von dem fehlt, was wir hier in Hülle und Fülle haben. Wir schlafen in einer Baracke mitten im Wald, es ist das ehemalige Jugendlager und hat eine sehr traurige Geschichte.“

Grüneberg am 13. April 2024

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Zu den Gedenkveranstaltungen des offiziellen Programms anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück gehörte am 13. April 2024 das Gedenken in Grüneberg. Die feierliche Veranstaltung wurde von der Deutschen Gemeinschaft ehemaliger Häftlinge von Ravensbrück / Freundeskreis (LGRF), einer Bürgerinitiative der Gedenkstätte Grüneberg sowie der Evangelischen Kirche gemeinsam mit dem Polnischen Klub ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Ravensbrück organisiert. Hierfür hatte die LGRF eine polnisch-deutsche Broschüre mit dem Inhalt der Informationstafeln vom Gelände des Gedenkortes, den Schilderungen zweier dort ehedem eingesperrter polnischer Frauen, dem Lagerschwur eines polnischen Gefangenen und der Rede von Janusz Rakowicz, der im Lager Grüneberg geboren wurde, vorbereitet. Neben den vielen Bewohnern aus Grüneberg und Umgebung, einschließlich der Libertas-Schule, Löwenberg, nahmen auch die Familien-Vereinigung Ravensbrück mit einer großen Gruppe von Scouts teil.

Das Konzentrationslager Ravensbrück, Grüneberg und alle Zwangsarbeit-Kommandos sind symbolische Orte für den grenzenlosen Hass von Menschen gegenüber anderen Menschen. Indem wir jedes Jahr zu den Gedenkfeierlichkeiten kommen, ehren wir alle Deportierten, die sich im Konzentrationslager Ravensbrück und seinen Kommandos befanden. Lasst uns derer gedenken, deren Asche sich auf dem Grund des Schwedt-Sees oder auf dem Friedhof in Fürstenberg befindet. Und lasst uns auch der Zwangsarbeiter von Grüneberg gedenken, die genau hier auf diesem Flecken Erde, auf dem wir heute stehen, gelitten haben. Dieser Flecken Erde ist dem Blut und den Qualen der eingesperrten Frauen und Mädchen gewidmet, die weit über ihre Kräfte hinaus schuften mussten. Wir sind ihretwegen gekommen. Eingedenk des Anlasses des feierlichen Zusammenkommens zum Jahrestag im April standen wir in Solidarität zusammen und waren in Gedanken und Gebeten vereint.

Von Grüneberg aus ertönte der Aufruf zu aktiven gemeinsamen Taten und zur Weitergabe des Gedenkens der Opfer des Konzentrationslagers Ravensbrück und von Grüneberg in der Stafette der Generationen, der Weitergabe der Erinnerung an die Jugend, die nächste Generation. Lasst uns das Böse beim Namen nennen: das Böse. Nur indem wir die Wahrheit und die historischen Fakten zeigen, können wir uns der Werte erinnern, die die Menschen über Generationen und Länder verbinden. Diese ewigen Werte fordern dazu heraus, die Verantwortung für unsere Welt und die Welt der künftigen Generationen zu übernehmen.

Von diesem Ort, dieser mit Leiden durchtränkter Erde sprechen die Opfer zu uns, rufen sie uns Lebenden zu: „Kein Krieg mehr. Schluss mit dem Triumph des Hasses und der Gewalt von Menschen gegenüber Menschen.“