Solidarität und Widerstand

Im Konzentrationslager sollte den Frauen ihre Identität und Würde genommen werden. Sie sollten nur noch Nummern sein. Jedes Aufbegehren gegen die SS und das von ihr erdachte System der Demütigung, Menschenverachtung und Vernichtung wurde bestraft. Jede menschliche Regung füreinander wurde unterdrückt.

Dennoch gab es Menschlichkeit untereinander, Frauen traten füreinander ein, waren füreinander da. Manchmal war da nur ein Lächeln oder ein aufmunterndes Wort, ein gemeinsam gesungenes Lied oder ein kleines Geschenk.

Frauen, die aus politischen Gründen in das KZ Ravensbrück eingeliefert worden waren, die bereits vorher organisiert waren und Widerstand gegen das unmenschliche Nazi-Regime geleistet hatten, fanden sich im Lager auf‘s Neue, unterstützten nach Möglichkeit einander auch unter den grausamen Lebensbedingungen. Das belegen unzählige Beispiele in den Schilderungen der Überlebenden nach 1945.

Und es gab auch organisierte Aktionen, zu deren Erfolg oft mehrere Frauen verschiedener Nationen beitrugen. Basis hierfür waren das Vertrauen und die Kameradschaft zwischen Frauen verschiedener Nationen und die guten Kontakte zwischen den kleinen illegalen Widerstandsgruppen unterschiedlicher Nationen in den Blocks.

Die Freundschaften aus dieser Zeit innerhalb der internationalen Lagergemeinschaft fanden nach dem Krieg ihre Fortsetzung in der Gründung des Internationalen Ravensbrück Komitees durch die Überlebenden.

Eine der ersten zusammenfassenden deutschsprachigen Schilderungen des Zusammenhalts, der Solidarität und auch des Widerstands in Ravensbrück erschien im Jahr 1959 in dem Buch „Die Frauen von Ravensbrück“. Es entstand unter der Leitung von Erika Buchmann (1902-1971), die selbst Häftling in Ravensbrück war und aus eigener Erfahrung berichten konnte. Hier sind die folgenden Formen genannt:

Gemeinsames Handeln als Mittel der Selbstverteidigung, Bildung nationaler Widerstandsgruppen in den Blocks, das Erlangen und gemeinsame Auswerten von Nachrichten aus Zeitungen u. a. Quellen, politische Schulungen, die Organisierung kleiner kultureller Veranstaltungen, das Anfertigen und Verschenken kleiner Kunstwerke, das Feiern von Geburtstagen und nationalen Gedenktagen, Gottesdienste u. a. kirchliche Feiern, das Schreiben fingierter Briefe, um Trost und Freude zu spenden.

(Quelle:“Die Frauen von Ravensbrück“, S. 120-133, Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR (Hrsg.), zusammengestellt und bearbeitet von Erika Buchmann, 1959, Kongress-Verlag Berlin)

Die Historikerin Dr. Wanda Kiedrzynska (1901-1985), ebenfalls ehemalige Gefangene des Konzentrationslagers Ravensbrück, widmete der Solidarität und dem Widerstand im KZ Ravensbrück ein ganzes Kapitel ihres Buches „Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“ (Ravensbrück – kobiecy obóz koncentracyjny“). Sie war es auch, die während des Treffens des Internationalen Ravensbrück Komitees (IRK) im Mai 1971 in Jaszowiec in ihrem Referat erstmals systematisch die verschiedenen Erscheinungsformen des Widerstandes im Konzentrationslager herausarbeitete:

Gegenseitige Hilfe unter Gleichen, Zusammenhalt und Unterstützung in Pfadfinder-Gruppen („Mury“ -„Mauern“), Verbindungen mit der Außenwelt, Kultur und Bildungsarbeit in jeglicher Form, Lesungen und Diskussionen von Zeitungen und Nachrichten, religiöses Leben, heimliches Unterrichten und Lernen, künstlerische und darstellerische Aktivitäten, politisches Leben. Die Ergebnisse der Tagung vom Mai 1971 wurden in einem Protokoll „Widerstand in Ravensbrück“ festgehalten.

(Quelle / źródło: Ruch oporu w FKL Ravensbruck, spotkanie międzynarodowe Jaszowiec - maj 1971 r., Związek Bojowników o Wolność i Demokrację Zarząd główny, Środowisko Ravensbruck, Katowice 1972 ),

In ihren Erinnerungen an die Haft im Konzentrationslager Ravensbrück sowie in seinen Außenlagern berichteten viele der Frauen auch über die Sabotage der Produktion in den deutschen Fabriken, in denen sie zu Zwangs- und Sklavenarbeit gezwungen waren.

Es gab außerdem Beispiele für die erfolgreiche Rettung von Kameradinnen vor drohender Bestrafung oder Ermordung.

Frauen verschiedener Nationen hoben rückblickend das Weihnachtsfest 1944 als ein besonderes Ereignis der Solidarität mit den Schwächsten im Lager, den Kindern, hervor. Die wochenlangen Vorbereitungen der Feiern, das Basteln vieler kleiner Geschenke, das Organisieren zusätzlicher Brotscheiben und teilweise kleiner Naschereien für die Kinder trugen dabei auch zur Stärkung des Zusammenhalts und des Überlebenswillens der beteiligten Frauen bei.

Die hier genannten Erscheinungsformen der Solidarität und des Widerstandes der Frauen in Ravensbrück werden auch von** Helga Amesberger und Brigitte Halbmayr** beschrieben, die Belege hierfür in unzähligen Interviews mit ehemaligen österreichischen Häftlingen des KZ Ravensbrück erhoben.

(Quelle: Helga Amesberger / Brigitte Halbmayr, „Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung“, Dokumentation und Analyse, S. 179-193, 2001, Promedia Wien, ISBN 3-85371-175-89)

Paulette Lechevallier

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Neus Català

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Neus Català schrieb:

„Obwohl uns der Hunger den Magen umdrehte, waren wir nicht dazu fähig, uns gegenseitig auch nur eine Brotkrume zu klauen, aber für den Kampf waren wir perfekte Diebinnen; sabotieren, sabotieren, sabotieren…Darauf waren alle unsere Kräfte und Sorgen gerichtet.

Allerdings bedeutete das auch tödliche Gefahr,…Als wir sahen, was uns da abverlangt wurde, waren wir vor die schwerste Gewissensfrage in unserem Leben gestellt, aber wir entschieden uns dafür, weil wir wussten, dass sie uns, auch wenn wir es nicht machten, auf die eine oder andere Weise doch umbringen würden, während uns andere ersetzten.

Gleichzeitig sahen wir eine Möglichkeit, die Résistance fortzusetzen: nicht zu produzieren und die Bewaffnung der Nazis mit allen Mitteln zu sabotieren.“

(Neus Català, „In Ravensbrück ging meine Jugend zu Ende“. Vierzehn spanische Frauen berichten über ihre Deportation in deutsche Konzentrationslager, edition tranvia Berlin, 1994, ISBN 3-925867-11-2)

Gertrud Müller

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Gertrud Müller berichtet in ihren Erinnerungen vom illegalen Lagerkomitee:

“Es war eine internationale Organisation, die aus zuverlässigen Frauen bestand. … … Das illegale Lagerkomitee hat, wo immer es ging, dafür gesorgt, dass eine gewisse Erleichterung für die Häftlinge erfolgte. „

(Gertrud Müller, Die erste Hälfte meines Lebens. Erinnerungen 1915-1950, S. 44/45, Hrsg. Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V., ISBN 3-00-014930-9)

Melanie (Mela) Ernst (1893-1949)

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Die Österreicherin Melanie (Mela) Ernst hatte bereits während der Verteidigung der Spanischen Republik 1936 – 1939 und anschließend in der französischen Resistance Erfahrungen im politischen Widerstand gesammelt.

Bevor sie im Herbst 1943 nach Ravensbrück kam, hatte sie schon einige Haftjahre hinter sich. Gemeinsam mit Mara Günzburg, die ebenfalls am Spanienkrieg gegen Franco teilgenommen hatte, initiierte sie Anfang 1944 die Vernetzung der einzelnen, weitestgehend unabhängig voneinander handelnden nationalen Widerstandsgruppen zu einem Internationalen Lagerkomitee.

Als Mara Günzburg im Oktober 1944 von der SS in Ravensbrück hingerichtet worden war, übernahm Mela Ernst die Führung der internationalen Gruppe.

Ende 1944 erklärte das Internationale Komitee, jede Einzelne müsse dafür sorgen, dass niemand mehr unter die Räder komme. Die wichtigste Aufgabe sei, dafür zu sorgen, dass niemand sich gehenlässt, …weiter wurden politische Schulungen durchgeführt.

(Helga Amesberger / Brigitte Halbmayr (Hrsg.), „Vom Leben und Überleben – Wege nach Ravensbrück. Das Frauenkonzentrationslager in der Erinnerung. – Band 2, Lebensgeschichten, Birgit Haller: Interview mit Maria Berner, S. 20-26, 2001 Promedia, Wien, ISBN 3-85371-176-6 und und Band 1,Dokumentation und Analyse, S. 199-200, Promedia, Wien, ISBN 3-85371-175-8)

Ilse Hunger, Anna Hand und Mitzi Berner

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Die Deutsche Ilse Hunger *sowie die Österreicherinnen *Anna Hand und Mitzi Berner waren ab 1943 im Büro „Arbeitseinsatz“ beschäftigt.

Gemeinsam konnten sie Häftlingsfrauen verschiedener Länder in bestimmten Arbeitskommandos unterbringen.

Marta Baranowska suchte oft den Kontakt zu ihnen, wenn sie den Polinnen in „ihrem“ Block helfen wollte: dass man diese oder jene nicht auf Transport schicken soll, dass man Mutter und Tochter oder Geschwister nicht trennen soll, dass man für diese oder jene wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes eine leichtere Arbeit brauche. Sie habe bei Ilse immer Verständnis und Hilfe gefunden.

Zusammen mit den Häftlingsfrauen des Reviers gelang es den Frauen des Büros „Arbeitseinsatz“ manchmal, Menschenleben zu retten. Bevor Transporte in Außenlager des KZ zusammengestellt wurden, wurden teilweise Untersuchungen der Häftlinge im Revier durchgeführt. Mit falschen Eintragungen auf den Karteikarten durch Revierhäftlinge, die ansteckende Krankheiten wie Krätze oder Tuberkulose bestätigten, gelang es, manche Frauen von einer schweren Arbeit zurückzustellen.

Andererseits konnte der Transport in ein Außenlager auch eine Überlebenschance sein. Eine von den so Geretteten war Marta Birek, eine junge Polin. Als sie im Frühjahr 1945 nach Ravensbrück zur Erschießung gebracht wurde, gab Marta Baranowska diese Nachricht an das „Arbeitseinsatz-Büro weiter. Dort wurde Marta Birek unter anderem Namen und mit neuer Nummer auf eine Transportliste gesetzt. Sie kam unerkannt aus dem Lager und überlebte.

Erna Lugebiel sagte später über Ilse Hunger: “Sie war der Engel, der hier wirkte. Sie nahm Namen von den Listen herunter, tauschte Häftlingsnummern aus. Durch diese Tricks wurden viele gerettet, konnten mit Nummern von Toten weiterleben.“

Marta Baranowska (1903-2009)

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Marta Baranowska war an einer Aktion beteiligt, bei der es gelang, drei Österreicherinnen vor der Erschießung zu retten:

Toni Leer, Gerda Schindler und Edith Wexberg, Jüdinnen, die zugleich im kommunistischen Widerstand aktiv gewesen waren. Diese waren Anfang 1945 von Auschwitz nach Ravensbrück gekommen und sollten hier erschossen werden.

Mitzi Berner besprach mit Marta Baranowska, die drei Frauen zunächst im Block der Polinnen zu verstecken. Es mussten dringend die im Unterarm eintätowierten Häftlingsnummern aus Auschwitz herausoperiert werden, bevor ihnen neue Nummern zugeordnet werden konnten. Diese Operationen wurden von Dr. Maria Grabska (Polen) und Majda Mackovsek-Persjio (Jugoslawien) erfolgreich ausgeführt.

An der Rettungsaktion waren weitere Frauen beteiligt, so auch Französinnen, wie sich Neus Català erinnerte.

Mit einem schwedischen Rot-Kreuz-Transport kommen alle drei schließlich in die Freiheit.

*(„Ruch oporu w FKL Ravensbrück, spotkanie Miedzynarodowe Jaszowiec- maj 1971 r”., Zwiazek Bojowników o Wolnosc i Demokracje, s. 147). *

Martha Desrumeaux (1897-1982)

Martha Desrumeaux war eine wichtige Stütze des internationalen Netzwerkes der Solidarität in Ravensbrück.

Als Kommunistin, Führerin in großen Streikkämpfen der französischen Textilarbeiter, Führerin der Arbeiter von Lille in ihrem Kampf gegen die deutschen Okkupanten war sie erprobt im Widerstand.

In Ravensbrück organisierte sie die Widerstandsgruppen der französischen Häftlinge.

Sie arbeitete im Bad und hatte daher Kontakt zu jeder neu ankommenden Gefangenen. Sie half den Schwachen, sprach den Verzagenden Mut zu, übermittelte Nachrichten, organisierte solidarisches Handeln unter den französischen Gefangenen und knüpfte Verbindungen zu Gruppen anderer Nationen.

Mit Yvonne Useldinger (1921-2009, Luxemburg) teilte sie sich zeitweise eine Schlafstelle und übernahm für sie die Rolle einer „Lagermutter“.

(Quellen: KAW (Hrsg.), zusammengestellt von Erika Buchmann, „Die Frauen von Ravensbrück“, S. 126, Kongress-Verlag Berlin, 1959 *und *Kathrin Mess, „…als viele ein Sonnenschein in meine einsame Zelle“. Das Tagebuch der Luxemburgerin Yvonne Useldinger aus dem Frauen-KZ-Ravensbrück; S.116, 173, Metropol Verlag, 2008)

Joška Jabůrková (16.04.1896-31.07.1942)

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Die Tschechin Joška Jabůrková hatte ihre ersten politischen Erfahrungen bei ihrem Engagement für die tschechischen Bergarbeiter und gegen den Krieg gesammelt. Sie war Chefredakteurin der kommunistischen Frauenzeitschrift „Die Säerin“, schrieb Märchen für die Kinder der Arbeiter, verfasste politische Schriften.

In Ravensbrück beteiligte sie sich an der Bildung von Schulungszirkeln und an der Schulung von Lehrerinnen.

(Quelle: KAW (Hrsg.), zus.gestellt von Erika Buchmann, „Die Frauen von Ravensbrück“,S. 128, Kongress-Verlag Berlin, 1959)

Jewgenia Lasarewna Klemm (1898-1953)

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Jewgenia Lasarewna Klemm, studierte Pädagogin und Professorin an der Universität Odessa, kriegsgefangene Rotarmistin, unterrichtete in den wenigen arbeitsfreien Stunden andere Häftlinge heimlich in Russischer Literatur und Geschichte.

Obwohl verboten und mit schweren Strafen geahndet, besuchten auch Frauen aus anderen Nationen / Baracken ihre „Vorlesungen“. Auf diese Weise wurde sie bei vielen Frauen im Lager bekannt und beliebt.

Sie lebte den Gedanken und die Tat der internationalen Solidarität vor.

Sie war Sprecherin der illegalen antifaschistischen Gruppe der sowjetischen Frauen in Ravensbrück.

Lidia Besnogowa schrieb in ihren Erinnerungen: „Am 7. November 1944 versammelten sich zwischen Arbeitsschluss und Abendsirene eine Reihe von Kommunistinnen, von jeder Nationalität zwei, im Block der sowjetischen Kriegsgefangenen, unter ihnen Rosa Thälmann und Mela Ernst. Der Jahrestag der Oktoberrevolution wurde gewürdigt. Jewgenia Klemm schilderte die Lage an der Front, die bereits an der Oder verlaufe, und …dass die Befreiung bald kommen müsse. Zum Schluss wurde leise gesungen:‘ Vaterland, kein Feind soll dich gefährden“.

(Quellen: „Frauen aus Ravensbrück“. Kalender 1995, Sigrid Jacobeit, MGR (Hrsg.); KAW (Hrsg.), zus.gestellt von Erika Buchmann, „Die Frauen von Ravensbrück“,S. 129, Kongress-Verlag Berlin, 1959)

Olga Benario Prestes (1908-1942)

Das heimliche Unterrichten und Lernen gehörte für viele Frauen zum Überlebenskampf.

Olga Benario Prestes, Blockälteste in der Baracke 11 für jüdische Frauen, organisierte insgeheim Kurse und Schulungen, zeichnete hierfür mit Bleistift Miniaturlandkarten.

Sie war sehr um ihre Leidensgefährtinnen bemüht, hielt sie an, sich nicht gehen zu lassen und durch die Beteiligung an den - durch die Lager-SS verbotenen- Kursen, ihren geistigen Abwehr- und Widerstandswillen zu stärken.

(Frauen aus Ravensbrück, Kalender 1995, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten /Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück (Hrsg.), Edition Hentrich 1994, ISBN 3-89468-153-5; siehe auch Ruth Werner, „Olga Benario“, Berlin 1961)

Vlasta Kladivová und Vera Hozáková

Ein herausragendes Zeugnis für den ungebrochenen Willen und die Lebenskraft der Frauen im KZ Ravensbrück ist die von den Tschechinnen Vlasta Kladivová und Vera Hozáková in den Jahren 1943/44 in Ravensbrück heimlich angefertigte Sammlung von Gedichten und Liedern unter dem Titel „Europa v boij 1933 – 1944“.

Viele der Frauen haben während der Haft Gedichte verfasst, viele davon konnten überliefert werden, weil andere Frauen Schreibmaterialien heimlich aus ihrer Arbeitsstelle organisierten, weil sie die Gedichte auswendig lernten und, wenn es möglich war (manchmal erst nach der Befreiung) niederschrieben.

Die Texte wurden unter Lebensgefahr am Körper, in den Holzpantinen, in Ritzen der Baracken, versteckt. Sie wurden während des Appellstehens oder während der Arbeit, vor dem Einschlafen oder auf dem Weg zur Arbeit auswendig gelernt, zusammen gesprochen, weitergesagt, an Freundinnen zu Geburts- und Namenstagen verschenkt.

(Quelle: Constanze Jaiser, Jacob David Pampuch (Hrsg.) „Europa im Kampf 1939-1944. Internationale Poesie aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück“, Metropol Verlag 2005, ISBN 3-936411-61-1)

Grazyna Chrostowska (1921-1942)

Grazyna Chrostowska vermochte es, auch unter den Bedingungen des Konzentrationslagers Gedichte zu verfassen.

Kameradinnen schrieben sie heimlich auf oder lernten sie auswendig.

Es gelang, einige davon, zusammen mit Nachrichten über Exekutionen und pseudomedizinischen Versuchen an jungen Polinnen, nach draußen zu schmuggeln. BBC London unterrichtete 1943 die Weltöffentlichkeit darüber.

Einige Gedichte erschienen in illegalen oder Exilzeitschriften.

(Frauen aus Ravensbrück, Kalender 1995, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten /Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück (Hrsg.), Edition Hentrich 1994, ISBN 3-89468-153-5;)

Józefa Kantor (1896-1990)

Józefa Kantor half seit dem Überfall Deutschlands auf Polen, in ihrer Heimatstadt Tarnów zusammen mit anderen Pfadfinderinnen zahlreichen Flüchtlingen aus den westlichen Gebieten Polens. Sie arbeitet mit der Caritas zusammen und verbreitete Nachrichten aus der polnischen Untergrundpresse.

Im September 1941 wurde sie, nach etwa einjähriger Haft im Gefängnis Tarnow, nach Ravensbrück transportiert.

Hier traf sie zwei Gefährtinnen aus der Vorkriegszeit. Sie begannen mit dem Aufbau einer konspirativen Pfadfinderorganisation „Mury“ (Mauern) und warben weitere Mitglieder an.

Józefa Kantor führte sonntägliche Gottesdienste in den polnischen Baracken durch.

(Sabine Arend, Insa Eschebach (Hrsg.), Ravensbrück: Christliche Frauen im Konzentrationslager 1939-1945), S. 133, 2018 Metropol – Verlag, ISBN 978-3-86331-382-1)

Margarete Buber-Neumann (1901-1989)

Margarete Buber-Neumann schrieb:

„Das Zusammenwirken von Eintönigkeit und ständiger Bedrohung, das die Atmosphäre des Konzentrationslagers bestimmte, steigerte die Intensität echter Freundschaften unter den Häftlingen; waren sie doch dem Schicksal stärker ausgeliefert als es je Schiffbrüchige sein können.

Über Leben und Tod entschied die SS, und jeder Tag konnte der Letzte sein.

In dieser Situation wurden in uns Kräfte wach, sowohl geistige, seelische und körperliche, die im normalen Leben meist verschüttet bleiben. In dieser tödlichen Atmosphäre führte das Gefühl, einem anderen Menschen nötig zu sein zum größten Glück, machte das Leben lebenswert und verlieh die Kraft zum Überleben.“

(Frauen aus Ravensbrück, Kalender 1995, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten /Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück (Hrsg.), Edition Hentrich 1994, ISBN 3-89468-153-5; Zitat aus dem Buch „ Kafkas Freundin Milena“ von Margarethe Buber-Neumann)

Kinderweihnachtsfeier 1944

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Die Kinderweihnachtsfeier war eine der größten Solidaritätsaktionen im Lager. An ihrer Vorbereitung und Durchführung waren viele Frauen aus verschiedenen Nationen beteiligt. Sie hat den Frauen neuen Lebensmut gegeben, hat sie für eine gute Sache aktiv werden lassen und vielen der im Winter 1944 im KZ Ravensbrück eingesperrten Kindern eine Freude bereitet.

Berta Lauscher (Österreich) berichtete:

Begonnen hatte es mit dem Beschluss des im Lager geheim tätigen internationalen Ravensbrück-Komitees, dem Widerstandskämpferinnen aus den verschiedenen europäischen Nationen angehörten. Im Herbst 1944 wurde übereinstimmend entschieden, eine illegale Kinderkommission ins Leben zu rufen, deren Aufgabe es sein sollte, gemeinsam mit allen Häftlingen Gruppen zu bilden …. die sich nicht nur um Brot für die Kleine sorgen, sondern auch um ihren geistigen und seelischen Zustand kümmern sollten.

Auf jedem Häftlingsblock, in jedem Lagerbetrieb bildeten sich Gruppen, die anfingen, Brot und Marmelade und – soweit es möglich war – andere Lebensmittel zu sammeln. Außerdem noch Nähnadeln, Wollreste, Stoffreste, Papier, Bleistifte und Kleider aus verschiedenen Lagerbetrieben. Strümpfe und Fäustlinge wurden gestrickt, Hemden genäht, Mützen angefertigt, Bälle und Puppen aus alten Fetzen gemacht. Unter den strengsten Vorsichtsmaßnahmen und schwierigsten Bedingungen musste diese Arbeit verrichtet werden, denn bei Entdeckung waren Strafblock, Bunker, Stockhiebe und Schlimmeres gewiss. …

So kamen wir auf die Idee, ihnen zu Weihnachten 1944 ein Weihnachtsfest zu bereiten, um ihnen ein wenig Liebe, Wärme und ‚Glauben an das Gute im Menschen‘, wie Anne Frank in ihrem Tagebuch sagte, zu vermitteln.

Nun trat etwas Unerwartetes ein: Über die Lagerschreibstube war es möglich, für die Abhaltung der Weihnachtsfeier die Zustimmung zu erwirken. Wahrscheinlich hatte dabei eine Rolle gespielt, dass wegen des für Hitlerdeutschland katastrophalen Kriegsverlaufes unter der SS bereits eine starke Unsicherheit herrschte.

Voll Begeisterung und mit dem glühenden Wunsch, die Kinder einmal lachen zu sehen und ihnen ein wenig die leeren Mägen zu füllen, entfalteten die Frauen von Ravensbrück eine fieberhafte Tätigkeit. Es wurde der Vorschlag gemacht, ein Kasperltheater vorzuführen. Und da zeigten die Frauen der verschiedenen Nationen und Berufe ihr Können. … …

(Quelle: „Frauen-KZ Ravensbrück… und dennoch blühten die Blumen. Dokumente, Berichte und Zeichnungen vom Lageralltag 1939-1945.“; S. 110/111, Bertl Lauscher, DÖW:Kz-Ra, Hrsg.: Helga Schwarz, Gerda Szepansky, Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, 2000, ISBN 3-932502-25-6)

Vera Hozáková (Tschechoslowakei) erinnert sich:

„Mit Kveta, einer Malerin, sitze ich abends im Arbeitseinsatz, und unter unseren Händen entstehen weitere Puppen – eine Prinzessin, ein Prinz, ein Kaspar, ein Teufel, Räuber, ein Drache…

Wir ziehen sie über die Hände, und schon sind sie lebendig. … Die Mädchen in den Werkstätten bauen den Schaukasten, Tonicka aus Wien (gemeint ist Toni Bruha) schreibt ein Märchen.

Wir spielen in dem nicht fertiggestellten Kinderblock, in einem riesigen, leeren unfreundlichen Raum. Felicie spielt auf der Gitarre, und Erika erzählt mit ihrer schönen Stimme das Märchen vom Kaspar und den Räubern. Ich sitze mit Kveta im Kasten, und die Puppen an unseren Händen bewegen sich zu Erikas Worten. Mit Gitarrenakkorden endet das Spiel. Es ist still.

Durch eine Ritze im Vorhang schauen wir auf die leuchtenden Augen. Sie sind noch ganz in der anderen Welt, in einer ihnen unbekannten Welt, die aber auch für sie Freude und Schönheit bedeutet – den Sieg des Guten über das Böse.

(Quelle: Vera Hozáková: Und es war doch …I to prece bylo … Hrsg. V. Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, 1995, S.40-41) Zum Lesen empfohlen: Bodo Schulenberg, Leo Haas, „Es war einmal ein Drache… eine Weihnachtsgeschichte“, Verlag Junge Welt Berlin/DDR, 1983)

Poldi Morawitz (Österreich) erinnert sich:

Mein Arbeitsplatz befand sich in der Kommandantur, in einem kleinen Raum unter dem Dach. Ich hatte dort Karteikarten zu beschriften. Im Dezember 1944 hatte ich manchmal Bastelmaterial auf dem Schoß, um – wenn es günstig schien - das eine oder andere Geschenk für die Kinder zu basteln. An diesem Tag war es graues Wachstuch, aus dem ein kleiner Elefant werden sollte – ein Geschenk für eines der Kinder. Ich hatte die zwei Umrisse des Elefanten zurechtgeschnitten und war dabei, sie zusammenzunähen. Später sollte der Zwischenraum noch mit weichem Material ausgefüllt werden. Plötzlich stand ein SS-Mann hinter mir, Herr Bunte! Ich erschrak und war auf das Schlimmste gefasst. Aber er tobte nicht, sondern fragte, ob ich ihm auch einen solchen Elefanten anfertigen könne, es sei doch bald Weihnachten. Ich habe genickt – mir blieb ja auch gar nichts anderes übrig. Verdient hatte der sich das nicht! Abends habe ich den anderen davon erzählt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mich hatte erwischen lassen. Jetzt waren unsere Vorbereitungen nicht mehr geheim. Sie rieten mir, dem Bunte unbedingt den Gefallen zu tun, damit die Weihnachtsfeier nicht in Gefahr gerät. … Bunte hat seinen Elefanten bekommen.

(*aufgeschrieben nach Erzählungen meiner Mutter, Dr. Brigitta Kauers) *

Es hat weitere Weihnachtsfeiern im Dezember 1944 gegeben. Marta Baranowska (Polen, Blockälteste):

„Auf dem Block gab es sechsundachtzig polnische Kinder unterschiedlichen Alters. … Die Außenarbeiter haben mir sechsundachtzig Tüten besorgt mit so Weihnachtselementen drauf. Und ich hab’s versucht. Ich stelle die sechsundachtzig Tüten im Dienstzimmer auf und sage den Mädchen: Kinder, … wir machen für die Kinder ein Fest, und die Tüten sollen voll werden. Aber vom Osten kamen schon sehr wenige Pakete. Aber Pakete bekamen die Frauen, die im Offizierslager waren. Es kamen so schöne Pakete aus der Schweiz… Und aus diesen seltenen Paketen, …. habe ich die sechsundachtzig Tüten gefüllt. Die standen im Dienstzimmer im Block 1.

Einmal kam die Binz herein und sagt: Ja, was ist das?! Na, wir wollen das Fest für die Kinder machen. Ich sammle das, die Tüten, damit die Kinder wenigstens am Heiligabend ihre Freude haben. Da sind doch mehr Kinder. Na ja, wie kann ich für Hunderte machen? Ich sag: Frau Aufseherin, gestatten Sie das. Für uns ist’s ein besonderes, ein ganz besonderes Fest, der Heiligabend. Gestatten Sie, dass ich das für die Kinder zusammenbringe. Und ich verspreche Ihnen, wir machen ein Weihnachtsfest für die Zigeunerkinder. Sie ist darauf eingegangen….

Aufgetreten sind die Künstlerin, eine schöne Frau mit langen schwarzen Haaren bis an die Knie, Anna Lubrina, Sascha Wisch, eine Schauspielerin, … Und die Kinder wurden beschenkt mit diesen Tüten, die während einiger Wochen voll wurden.

Das war das Rührendste. Manchmal brachte man mir in der Hand nur eine Handvoll Zucker oder eine Büchse, irgendetwas Nettes, oder einen Keks und so weiter. Und das war eine Freude!

(Aus einem Interview von Loretta Walz mit Marta Baranowa 1997 in Bydgoszcz)

Was ist aus den Kindern geworden?

Die Frauen konnten sie nicht beschützen. „Eines Tages …Anfang 1945 kam meine Kameradin Relly Eisner zu mir gelaufen und schrie:“Sternderl, deine Kinder gehen weg!“ Wir rannten, aller Gefahren nicht achtend, über den Appellplatz zum Lagertor. Es war zu spät. Sie SS hatte den Lagerplatz vor dem Lagertor besetzt. Wir mussten zuschauen, wie die Kinder gemeinsam mit alten Frauen aus dem Lager geführt wurden – in den Tod! Heute noch könnte ich schreien, wenn ich daran denke.“ (Bertl Lauscher, DÖW:Kz-Ra)

Für viele Kinder war sie die einzige und letzte Weihnachtsfeier in ihrem kurzen Leben.

Anfang 1945 gingen mehrere Transporte von Ravensbrück nach Bergen-Belsen. Die Verhältnisse dort waren noch verheerender als in Ravensbrück.

Als Ende April 1945 das Lager Ravensbrück geräumt wurde und die Häftlingsfrauen auf den Todesmarsch getrieben wurden, gab es dort nur noch wenige Kinder.