Antonina Alexandrowna Nikiforowa

16.06.1907 – 08.08.2001 St.Petersburg

Ärztin, Rotarmistin im Sanitätsdienst

Maidanek: 1943 - April 1944,
Ravensbrück: 21. April 1944 – Mai 1945

Antonina Alexandrowna Nikiforowa, Foto: privat
Antonina Alexandrowna Nikiforowa, Foto: privat

Antonina Alexandrowna Nikiforowa wurde im Juni 1907 in St. Petersburg, als sechstes Kind in der Familie eines Postbeamten geboren. Die Familie verarmte, als der Vater im Jahr 1918 verstarb. Das anfangs kränkliche Mädchen wurde einige Zeit im Kinderheim untergebracht. 1923 schloss sie eine allgemeine berufsvorbereitende Schule ab. Anschließend besuchte sie eine zweijährige medizinische Berufsschule und arbeitete anschließend als Krankenschwester in der Stadt Iswar (Wolosowskij Bezirk im Leningrader Gebiet) und bereitete sich auf die Aufnahmeprüfungen für das Medizinstudium vor. Ab 1931 studierte sie am Medizinischen Institut namens „Akademiemitglied Iwan Pawlow“ in Leningrad, beendete das Studium 1936 als befähigte Studentin mit der Spezialisierung eines „Anatomen der Pathologie“ und begann ihre Aspirantur am Lehrstuhl des bekannte Pathologen Dr. Schor.

1939 wurde sie in die Rote Armee eingezogen, wo sie bis zum März 1941 ihren Dienst versah. Zu ihrer Demobilisierung kam es nicht mehr, da Deutschland im Juni 1941 die Sowjetunion überfallen hatte. Als sowjetische Militärärztin 3. Ranges, Kapitän des Medizinischen Dienstes, diente sie seit dem 23. Juni 1941 in einem Marinelazarett des Küstenschutzes der Baltischen Flotte auf der Insel Eselj Saaremaa in Kuresaare.

Am 5. Oktober 1941 geriet sie mit ihrem Lazarett in deutsche Gefangenschaft. Nach Inhaftierung in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern in Estland, Litauen und Polen wurde sie, da sie die Zwangsarbeit für die deutsche Industrie verweigerte, 1943 in das KZ Majdanek eingewiesen. Im Zuge der schrittweisen Räumung des Lagers kam sie am 21. April 1944 in Ravensbrück an. Dort wurde sie in der Pathologie und im Krankenrevier als Häftlingsärztin eingesetzt und hatte Anteil an der Rettung vieler Häftlinge, wie aus den Überlieferungen russischer Frauen, die die Haft im Lager überlebten, hervorgeht. Nach der Befreiung war sie die hauptverantwortliche Ärztin im sowjetischen Infektions-lazarett in Ravensbrück. Im Dezember 1945 kehrte Antonina Nikiforowa nach Leningrad zurück, erhielt jedoch keine Wohnberechtigung für die Stadt. Nach drei Monaten illegalen Aufenthalts bei ihrer Schwester zog sie nach Sibirien und arbeitete als leitende Ärztin in einem Krankenhaus des Ortes Sujerka im Gebiet von Tjumen. Noch in Ravensbrück hatte sie sich vorgenommen: „Wenn ich am Leben bleibe, werde ich mich eines Kindes annehmen.“ Dieser Wunsch erfüllte sich in Sujarka, wo sie den Jungen Arkadij zu sich nahm. Mit ihm zusammen kehrte sie im Sommer 1948 nach Leningrad zurück, erzog ihn, ermöglichte ihm eine Ausbildung, erlebte seine Hochzeit und auch mehrere Enkel. Bis zur Rente arbeitete sie als Pathologin-Anatomin im städtischen Krankenhaus „S. P. Botkin“. Nach der Befreiung hatte es sich Antonina Nikiforowa zur Lebensaufgabe gemacht, über Ravensbrück zu berichten, über die nationalsozialistischen Verbrechen aufzuklären und an den Frieden zu mahnen. In diesem Sinne hat sie eine riesige aufklärerische und Antikriegsarbeit geleistet. Sie korrespondierte mit vielen ehemaligen Mithäftlingen in ganz Europa, sammelte die eingehenden Briefe und Materialien zu Kriegsgefangenschaft und KZ. So entstand ein umfangreicher Nachlass dieser außergewöhnlichen Frau. Ihre Freundschaft mit ehemaligen Ravensbrückhäftlingen aus Frankreich und anderen Ländern währte ihr ganzes Leben. Antonina Nikiforowa hat zwei Bücher zum Thema Ravensbrück und Krieg geschrieben:
1957 erscheinen ihre Aufzeichnungen „Das darf sich nicht wiederholen“. Es basiert auf ihren eigenen Erinnerungen sowie Erlebnissen anderer ehemaliger Häftlingsfrauen und legt Zeugnis ab über die Ereignisse im KZ Ravensbrück. Ihre Publikation führte dazu, dass sich viele sowjetische Frauen ihr gegenüber öffneten und in zahlreichen Briefen von ihren Kriegsschicksalen erzählten. Im Jahr 1967 erschien ihr zweites Buch: „Erzählungen über Kampf und Freundschaft“, das neben der Erinnerungen aus Ravensbrück auch die Nachkriegserlebnisse ihrer Freundinnen aus der Zeit der Internierung beinhaltet.

Quellen: Aufgeschrieben von Natalja Timofejewa nach Gesprächen mit Stella Nikiforowa im Frühjahr 2020; „Ravensbrückerinnen“, Hrsg. Sigrid Jacobeit mit Elisabeth Brümann-Güdter, S. 127 -130, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Edition Hentrich, 1995, ISBN 3-89468-163-2 und „Kriegsgefangene Rotarmistinnen im KZ. Sowjetische Militärmedizinerinnen in Ravensbrück“, Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, 2016