Dr. Anette Homlong Storeide geb. 20.09.1976 in Aalesund
Wissenschaftlerin, KZ-Gedenkstätte Falstadsentered
Ich bin in Aalesund an der norwegischen Westküste aufgewachsen.
In dieser Stadt gab es während der Besatzung (1940-1945) viele Widerstandsgruppen,die sich in den vielen unzugänglichen Bergen in der gegend organisieren und verstecken konnten. Vor allem bauten sie mit Fischkuttern eine Überseeverbindung zwischen Norwegen und England auf. Über Shetland wurden Menschen und militärische Ausrüstungen verfrachtet.
Deshalb bekam ich schon als Kind Geschichten aus der Besatzungszeit zu hören: Die Namen von Lagern wie Ravensbrück und Sachsenhausen waren mir schon früh als Orte geläufig, in denen norwegische WiderstandskämpferInnen leiden mussten.
1995 machte ich Abitur und begann ein studium der Geschichte, Politikwissenschaften und Germanistik an der Universität Oslo.
1999 wechselte ich zur Humboldt-Universität. Das Studium in Berlin ermöglichte mir, die Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen zu besuchen. Dort erfuhr ich von der Möglichkeit, ein freiwilliges Jahr bei der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) abzuleisten. Für eine ASF-Stelle in der Gedenkstätte Sachsenhausen wurden damals gesondert NorwegerInnen gesucht.
Im September 2001,wenige Tage nach den verheerenden Terroranschlägen in New York,begann ich als ASF-Freiwillige im Museum und Gedenkstätte Sachsenhausen.
Das ASF-Jahr stellte die Weichen für meinen Lebensweg: Ich erhielt im Anschluss daran eine Doktorandenstelle an der Universität Oslo. Dort verfasste ich eine Dissertation über norwegische Gefangene im KZ Sachsenhausen, demLager, in dem die meisten norwegischen KZ-Gefangenen inhaftiert waren. Ich interviewte dafür zahlreiche norwegische Überlebende aus den Lagern Auschwitz, Buchenwald, Natzweiler, Ravensbrück und Sachsenhausen. Einige der Zeitzeugeninterviews sind als Bücher erschienen.
2007 verteidigte ich meine Dissertation. Zwischen 2009 und 2011 begleitete ich die norwegische Ravensbrückerin Nelly Nilsen Langholm zu den Treffen des Internationalen Ravensbrück Komitees.
Unterdessen habe ich für norwegische Organisationen gearbeitet, die Gedenstättenfahrten für Jugendliche nach Deutschland und Polen organisieren, für norwegische Gedenkstätten und ein Dokumentarfilmunternehmen in Archiven recherchiert und Bücher über Geschichtspolitik und Erinnerungskultur sowie über norwegische wirtschaftliche Kollaboration mit der Besatzungsmacht geschrieben.
2011 entschied ich mich für einen beruflichen Wechsel und trat eine Stelle als "Associate Professor" für deutsche und europäische Kulturgeschichte an der Universität in Trondheim (NTNU) an. Trotz interessierter StudentInnen und guter KollegInnen habe ich aber die Gedenkstättenarbeit in der universitären Tretmühle immer vermisst.
2017 ging ich eine Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Falstad neben meiner Lehre und Forschung als Professorin der NTNU ein. Diese Kooperation hat mich darin bestärkt, dass meine Berufung in der Gedenkstättenarbeit liegt.
Im Frühling 2020 bewarb ich mich erfolgreich auf eine wissenschaftliche Stelle in der KZ-Gedenkstätte Falstad. Seit dem 1. August 2020 bin ich dort in Vollzeit tätig.