12.07.1902 (Dörnigheim) – 25.01.1977 (Dörnigheim)
Ungelernte Arbeiterin, später Verwaltungsangestellte
Ravensbrück: 31. August 1944 – 28. April 1945
erste Vorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrück in der Bundesrepublik Deutschland und von 1966 bis 1977 Mitglied des Internationalen Ravensbrück-Komitees.
Katharina Margarete Jonas, geborene Seng, genannt Käthe, wurde am 12. Juli 1902 als viertes von sechs Kindern einer Arbeiterfamilie in Dörnigheim am Main (Deutschland) geboren. Dörnigheim liegt im Rhein-Main-Gebiet zwischen Hanau und Frankfurt am Main.
Die Familie lebte in sehr bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen. Käthes Vater, Karl Seng, war von Beruf Bauschreiner und im Winter häufig arbeitslos. Käthe musste schon als Kind mit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Sie trug morgens vor der Schule für einen Bäcker Brötchen aus. Nachmittags betreute sie in einer benachbarten Familie kleinere Kinder. Nach dem Abschluss der 8-jährigen Volksschule begann sie mit 14 Jahren als Arbeiterin in einer Munitionsfabrik in Frankfurt am Main zu arbeiten. Eine Berufsausbildung für ihre Töchter konnte sich die Familie nicht leisten.
Käthe heiratete 1921. Ihr Mann, Peter Jonas, hatte den Beruf des Weißbinders – heute sagt man Maler dazu – erlernt. Der gemeinsame Sohn Friedrich, genannt Friedel, wurde 1922 geboren. Schon in den zwanziger Jahren zeigten sich bei Peter Jonas Anzeichen der Bechterewschen Krankheit in Form von Lähmungserscheinungen. Er konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben. Die Familie geriet dadurch in bittere Not. Peters Invalidenrente reichte nicht aus, um eine Person zu ernähren, geschweige denn eine Familie. Käthe bemühte sich zunächst durch Gelegenheitsarbeiten Geld zu verdienen. Schließlich bauten die Eheleute gemeinsam auf einem Acker von Käthes Vater in sehr mühevoller Arbeit eine Versuchstierzucht und eine Hühnerfarm auf. Von den Einkünften konnte die Familie leben.
Die Zeit des Naziregimes in Deutschland brachte für Käthe und ihre Angehörigen 12 Jahre Verfolgung und Diskriminierung. Käthes Eltern und ihre Großeltern mütterlicherseits waren schon im Kaiserreich engagierte Sozialdemokraten. Nach dem Ersten Weltkrieg schlossen sich ihre Eltern und andere Verwandte der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) an. Sie standen auch während des Naziregimes zu ihrer politischen Überzeugung. Käthe und Peter Jonas waren ebenfalls Mitglied der KPD.
Schon bei den ersten Massenverhaftungen im Februar 1933 wurde Käthe als Funktionärin der KPD festgenommen und vier Wochen lang inhaftiert. Sie hatte zu den Kommunalwahlen im März 1933 auf den Listen der damals noch legalen KPD für das Gemeindeparlament in Dörnigheim und für den Kreistag des Landkreises Hanau kandidiert. Ihren Bruder Karl Seng jun., der dem Kommunistischen Jugendverband angehörte, brachten die Nazis im Herbst 1933 für vier Monate in das Konzentrationslager Breitenau bei Kassel.
I935 wurde Käthe erneut verhaftet und zusammen mit ihrem Ehemann, ihrem Vater und ihren beiden Brüdern Adam und Karl Seng wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt. Sie waren an Flugblattaktionen der inzwischen illegalen KPD beteiligt. Sie wurden alle zu Haftstrafen verurteilt. Käthe musste für drei Jahre ins Zuchthaus. Ihr Ehemann wurde zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Ihren jüngeren Bruder Karl brachte man 1938 nach 2 ½ Jahren Haft direkt vom Zuchthaus in das KZ Buchenwald.
Während der Inhaftierung seiner Eltern nahm ein Bruder von Peter Jonas, der in der benachbarten Stadt Mühlheim am Main lebte, den 13-jährigen Friedel in seine Familie auf. So entging Friedel der Gefahr, in ein NS-Kinderheim gesteckt zu werden.
Käthe hatte im Herbst 1938 ihre Zuchthausstrafe abgesessen. Sie kam nach Dörnigheim zurück mit dem Wusch, noch ein zweites Kind zur Welt zu bringen. Im Herbst 1940 wurde ihre Tochter Rosel geboren.
Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurde Käthe im Rahmen der „Aktion Gitter“ am 22. August 1944 wieder festgenommen und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück transportiert. Ihre Tochter war damals 3 Jahre alt. Käthe wurde am 31. August 1944 in Ravensbrück als Zugang registriert und erhielt die Häftlingsnummer 62238. Sie musste 8 Monate in der Hölle von Ravensbrück zubringen.
Am 28. April 1945 trieb man sie aus dem Lager auf den Todesmarsch. Käthe gelang es, sich nach einigen Tagen von der Kolonne der Häftlinge abzusetzen. Ohne Geld und Papiere, mit einem weißen Kreuz auf der Kleidung, das sie als Häftling kenntlich machte, schlug sie sich in Richtung Westen durch. Am 10. Juni 1945 kam sie bei ihrer Familie in Dörnigheim an. Sie fand ihren Mann und ihre Tochter wieder, aber die Tierzucht war in den letzten Kriegstagen durch Beschuss der Alliierten völlig zerstört worden. Damit war der Familie erneut die Existenzgrundlage entzogen. An einen Wiederaufbau der Zucht war nicht zu denken. Käthe hatte durch die KZ-Haft schwere gesundheitliche Schäden erlitten und die Erkrankung ihres Mannes war weiter fortgeschritten. Käthe fand eine Anstellung als Sachbearbeiterin an der neu geschaffenen ‚Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte‘ bei der Stadt Hanau. Nach Auflösung der Betreuungsstelle zu Beginn der 50-er Jahre musste sie – unterstützt von ihrer Gewerkschaft - darum kämpfen, dass das Angestelltenverhältnis bei der Stadt fortgesetzt wurde. Ihre Familie war dringend auf ihr Gehalt angewiesen. Käthe arbeitete bis zu ihrer Verrentung im Jahre 1963 als Sachbearbeiterin beim Bauamt der Stadt Hanau.
Auch nach der Befreiung war Käthe wieder politisch aktiv. Sie gehörte dem parteiübergreifenden Antifaschistischen Ausschuss in Dörnigheim an, der sich bemühte, in der ersten Nachkriegszeit die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen und wieder ein funktionierendes Gemeinwesen aufzubauen. Bis zum Verbot der KPD im Jahre 1956 war sie Mitglied der KPD-Fraktion im Gemeindeparlament von Dörnigheim. Sie war Mitbegründerin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) im Kreis Hanau und arbeitete in den verschiedensten Gremien der VVN mit. Bei ihrer politischen Arbeit standen für Käthe stets die sozialen Belange der Menschen im Vordergrund. Kommunismus bedeutete für sie Humanität. So wie sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten schon vor 1933 Krieg und Faschismus bekämpfte, so engagierte sie sich auch nach der Befreiung für eine Welt ohne Krieg, Terror und soziales Elend.
Nachdem sie aus dem Berufsleben ausgeschieden war, widmete sie sich zusammen mit anderen ehemaligen Ravensbrück-Häftlingen dem Aufbau der Lagergemeinschaft Ravensbrück in der Bundesrepublik Deutschland, deren erste Vorsitzende sie wurde. Sie war von 1966 bis 1977 Mitglied des Internationalen Ravensbrück-Komitees.
Käthe war eine fröhliche und sehr gesellige Frau. Neben Familie, Beruf und ihrer politischen Arbeit nahm sie Anteil am Vereinsleben in Dörnigheim. Bis in ihre letzten Lebensjahre war sie aktive Sängerin im Volkschor Dörnigheim. Sie verzagte nie und konnte schwierige Situationen immer wieder meistern. Aber ihr Leben war überschattet von der Trauer um ihren Sohn und von der Erinnerung an Ravensbrück. Friedel Jonas war zur Wehrmacht eingezogen und ist seit 1943 als Soldat an der Ostfront vermisst. Die Erinnerung an Ravensbrück belastete Käthe mit zunehmendem Alter mehr und mehr. In ihren Alpträumen erlebte sie die Gräuel des Lagers immer wieder aufs Neue.
Käthe Jonas starb am 25. Januar 1977.
2015 wurde unter reger Anteilnahme der Bevölkerung ein zentraler Platz in Maintal-Dörnigheim nach Käthe Jonas benannt.
Geschrieben von ihrer Tochter, Rosel Vadehra-Jonas, am 5. April 2020