Wanda Kiedrzyńska geb. Puzinowska

01.01.1901 (Łodz) – 30.03.1985 (Warschau),

Historikerin

Ravensbrück: 30.05.1942 bis 28. April 1945

Ihre Monografie, „Frauenkonzentrationslager Ravensbrück” („Ravensbrück – kobiecy obóz koncentracyjny”) gilt als eine der ersten umfassenden wissenschaftlichen Quellen, um die Geschichte dieses Konzentrationslagers kennen zu lernen.

Wanda Kiedrzyńska 1974, Fotoalbum für Rosa Jochmann, DÖW Wien
Wanda Kiedrzyńska 1974, Fotoalbum für Rosa Jochmann, DÖW Wien

Wanda Kiedrzyńska kam 1901 zur Welt. Sie war Historikerin. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs lebte sie in Warschau und arbeitete im Militärgeschichtsbüro.

Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen, am 1. September 1939, war sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Karol, Offizier des Polnischen Militärs, in der Untergrundbewegung aktiv.

Nachdem sie und ihr Ehemann verraten worden waren, wurden sie im Gefängnis Pawiak inhaftiert. Nach den Verhören durch die Gestapo wurde das Ehepaar Kiedrzyński zur Haft im Konzentrationslager verurteilt: Wanda Kiedrzyńska wurde nach Ravensbrück deportiert, ihr Ehemann nach Auschwitz, wo er 1942 verstarb.

Wanda Kiedrzyńska kam am 30.05.1942 mit dem zweiten Sondertransport aus Warschau und Lublin im KZ Ravensbrück an. Im Konzentrationslager engagierte sie sich im Rahmen der geheimen Bildungsarbeit, hielt Vorträge und leitete Diskussionen. Die Gestaltung eines freien Polens und die Frage nach der Notwendigkeit von sozialen Reformen standen dabei im Mittelpunkt.

Nach der Befreiung aus dem KL Ravensbrück kehrte Wanda Kiedrzyńska nach Warschau zurück und bezog zusammen mit ihrer Mutter eine Wohnung im Stadtteil Marymont. Sogleich fing sie mit der Arbeit am Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften an.

Gemeinsam mit einer anderen Überlebenden aus dem KZ Ravensbrück, Olga Dickman, gründete sie im Herbst 1945 den Ravensbrück Klub und wurde seine erste Vorsitzende. Mehrere Jahre engagierte sie sich im Klub und sorgte für die Frauen, die dort Mitglieder waren, indem sie die ehemaligen weiblichen Häftlinge auf unterschiedliche Art und Weise unterstützte, die Geschichte des KZ Ravensbrück dokumentierte, sowie Jahrestagbegegnungen, Gedenken und Treffen der Überlebenden, die Freundinnen geworden waren, organisierte.

Ihr zweifellos großer Verdienst ist die Vorbereitung einer dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück gewidmeten Monografie, die mehrere Auflagen hatte und bisher als die beste Quelle gilt, um die Geschichte dieses Konzentrationslagers kennen zu lernen. Diese Monografie trägt den Titel „Frauenkonzentrationslager Ravensbrück” („Ravensbrück – kobiecy obóz koncentracyjny”).

Sie war Vertreterin der polnischen Seite im Internationalen Ravensbrück Komitee. In diesem Rahmen hat sie die einzige internationale Wissenschaftskonferenz in Polen, die dem KZ Ravensbrück gewidmet war und am 7.- 8. Mai 1971 in Jaszowiec stattfand, wesentlich geprägt.

Das Treffen widmete sich der Thematik der Widerstandsbewegung im KZ Ravensbrück in allen Nationalgruppen, die dort inhaftiert waren.

Dr. Kiedrzyńska hielt als Mitorganisatorin den Einführungsvortrag, in dem sie das Ziel der Tagung skizzierte sowie die Widerstandsbewegung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen, die demografische Charakteristik der Häftlinge, als Ausgangspunkt für Einschätzungen und Schlussfolgerungen und die Bibliografie über das KZ Ravensbrück präsentierte. In ihrem Statement sagte Dr. Wanda Kiedrzyńska unter anderem: *„Warum haben wir dieses Treffen organisiert? Wir hatten nämlich den Wunsch, eine Konfrontation von Meinungen zu dem wichtigen Bereich unseres damaligen Lebens, der Zeit in Ravensbrück, mit dem im Geheimen geführten Kampf ums Überleben und zugleich um die Würde des Menschen, herbeizuführen. Ich scheue mich nicht davor, das große Wort „Kampf” zu benutzen. Das war ein ununterbrochener, stiller Kampf ums Überleben, der sich zuweilen nach außen manifestiert hat, in unterschiedlicher Form.” *

Besondere Verdienste hat sie dadurch erworben, dass sie eine Dokumentation über pseudomedizinische Experimente, denen 74 Polinnen im KL Ravensbrück unterzogen wurden, gesammelt hat. Sie arbeitete mit dem damaligen Museum der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zusammen. Dank ihrer Bemühungen sind die Transportlisten ins KZ Ravensbrück weitgehend rekonstruiert worden. Bei der Umsetzung dieser sehr wichtigen Arbeit ist Frau Dr. Kiedrzyńska von den Schwestern Panak unterstützt worden.

Dr. Kiedrzyńskas Forschungsbereich war das Martyrium der polnischen Bevölkerung während der deutschen Besatzung in Polen im Zweiten Weltkrieg. Sie ist Autorin der Forschungsarbeit „An der Grenze vom Leben und Tod. Krystyna Wituskas Briefe und Kassiber aus dem Gefängnis” („Na granicy życia i śmierci. Listy i grypsy więzienne Krystyny Wituskiej”); Krystyna Wituska ist am 26. Juni 1944 im deutschen Gefängnis in Halle wegen Nachrichtendiensttätigkeit mit dem Fallbeil hingerichtet worden.

Das wissenschaftliche Lebenswerk von Dr. Kiedrzyńska umfasst zahlreiche Beiträge, darunter eine wertvolle Veröffentlichung „Warschauer Aufstand in Büchern und in der Presse. Ein blibliographischer Ratgeber“ („Powstanie Warszawskie w książce i prasie. Poradnik bibliograficzny.”) Die o. g. Monografie „Frauenkonzentrationslager Ravensbrück” („Ravensbrück – kobiecy obóz koncentracyjny”) ist ihre Doktorarbeit geworden.

Sie ist 1985 in Warschau verstorben. Sie ist auf dem Friedhof Stare Powązki (in der im Abschnitt 124 befindlichen Familiengruft, neben ihrer Mutter Maria Puzinowska, geborene Wolanowska (1877-1955), und symbolisch an der Seite ihres Ehemannes Karol Kiedrzyński (1897-1942, in Auschwitz verstorben) begraben worden.

Quelle: Hanna Nowakowska, Warschau, 2020