29.11.1903 (Bydgoszcz) – 07.01.2009 (Bydgoszcz)
Sekretärin
Ravensbrück: 10. August 1941 – April 1945
Marta Baranowska wurde am 29. November 1903 in Bydgoszcz geboren. Ihr Vater war Eisenbahner, die Mutter Hausfrau, die sich um 10 Kinder zu kümmern hatte.
Durch den I. Weltkrieg und den gleich darauf folgenden polnisch-sowjetischen Krieg konnte Marta erst ab 1920 wieder regelmäßig zur Schule gehen. Sie besuchte ein Gymnasium und lernte neben Polnisch und Deutsch auch Englisch und Französisch. In Kursen lernte sie Maschineschreiben und Stenographie und arbeitet nach dem Abitur als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei.
1930 heiratete Marta Baranowska und brachte kurz hintereinander drei Kinder zur Welt. Ihr Mann arbeitete im Schulamt.
Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen engagierte sich Marta Baranowska in der polnischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung. Sie leitete die illegale Pfadfinderorganisation „Mury“ in Bydgoszcz. Wegen ihrer guten Deutschkenntnisse wurde sie als Kurierin für die Widerstandsarbeit eingesetzt. Sie half, illegale Flugblätter und Zeitungen herauszugeben.
Am 28. Mai 1941 wurde ihre Gruppe verhaftet und Marta wurde wegen Hochverrats und Zugehörigkeit zu einer geheimen Organisation namens SSS (Tod der SS) verurteilt. Von Budgoszcz aus wurde sie - über das Polizeigefängnis am Alexanderplatz Berlin - nach Ravensbrück deportiert, wo sie am 10. August 1941 ankam. Ihre drei Kinder blieben bei einer älteren Lehrerin zurück.
Im September 1941 wurde sie von der Oberaufseherin zur Stubenältesten auf einem der Zugangsblocks bestimmt. Einige der jungen Frauen, die am nächsten Tag mit einem Sondertransport vom Pawiak in Warschau und vom Gefängnis in Lublin ankamen, kamen in den Block zu Marta Baranowska. Als im Jahr 1942 etwa 1.700 Polinnen nach Ravensbrück eingeliefert und weitere Baracken errichtet wurden, wurde Marta im Mai 1942 von der Oberaufseherin zur Blockältesten von Block 13 bestimmt. Ihre Position als Blockälteste nutzte sie zum Wohle der Häftlinge.
Sie wurde zu einer Kontaktperson für illegale Aktionen, bei denen polnische Frauen und Frauen anderer Länder aus verschiedenen Baracken zusammenarbeiteten.*
Ihr guter Kontakt zu Ilse Hunger (D) und Anni Hand (A) vom Büro für den Arbeitseinsatz der Häftlinge verhalf mancher Polin aus ihrem Block oder auch anderen Häftlingen, dass diese nicht auf einen Transport gehen mussten, dass man Mutter und Tochter oder Geschwister nicht trennte, dass für jemanden eine leichtere Arbeit gefunden wurde.
Marta Baranowska war es, die an der Rettung von Marta Birek, einer jungen Polin, beteiligt war. In Erinnerung geblieben ist auch ihre Beteiligung an einer Aktion des illegalen Widerstandskomitees im Lager, bei der es gelang, drei österreichische Frauen vor der Erschießung zu retten: Toni Lehr, Gerda Schindler und Edith Wexberg. Diese waren Anfang 1945 von Auschwitz nach Ravensbrück gekommen. Bei zweien von ihnen musste zunächst die im Unterarm eintätowierte Häftlings-Nummer aus Auschwitz herausoperiert werden. Martas gute Kontakte zum Revier machten das möglich.
Sie sorgte sich auch besonders um die Kinder auf ihrem Block, um Essen und Kleidung für sie. Im Dezember 1944 bereitet sie „Ihren“ Kindern mit kleinen Geschenken, die wiederum nur durch das Zusammenwirken mehrerer Frauen zusammen getragen werden konnten, eine besondere Freude.
Im April 1945 wurde sie gemeinsam mit ca. 500 Häftlingsfrauen aus ihrem Block auf den Todesmarsch getrieben. Unterwegs wurden sie befreit.
Zu Hause angekommen, arbeitete sie wieder als Sekretärin und führte einige Jahre lang eine große Anwaltskanzlei. Ihre Erinnerungen stellte sie für die geschichtliche Aufarbeitung des polnischen antifaschistischen Widerstands zur Verfügung.
Quellen: Text von Hanna Nowakowska, Warschau, 2020; Loretta Walz: ”Und dann kommst du dahin an einem wunderschönen Sommertag”, Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2005; *„Ruch oporu w Ravensbrück”, 1971, S. 137-150, sowie pers. Notizen von M. Baranowska; S. Jacobeit/L. Thoms-Heinrich, „Kreuzweg Ravensbrück. Lebensbilder antifaschistischer Widerstandskämpferinnen”, S. 66-67, Leipzig 1987