Erste Vorschläge des Internationalen Ravensbrück-Komitee für die Gestaltung des Innern des Lagers nach Abzug der Sowjetarmee

25.05.2020

Nach dem Besuch der Delegation des Internationalen Komitees am 19. September 1991 in Ravensbrück schlagen wir vor:

  1. Die Entfernung all dessen, was zum Zeitpunkt der Befreiung 1945 im Lager nicht existiert hat, wie alle Gebäude, Mauern und Sportanlagen, die von der Sowjetarmee errichtet wurden. Rodung aller in der Zwischenzeit gewachsenen Bäume (obwohl uns das schmerzt!), aber der Besucher soll beim Eintritt in das Lager von dessen Größe und Trostlosigkeit beeindruckt sein, so wie es in Birkenau der Fall ist.

  2. Auf dem Gelände, wo die Baracken standen, sollte mit Rasen bedeckt werden und jede Baracke wird durch eine Tafel mit ihrer Nummer gekennzeichnet sein. Wir schlagen vor, nach dem Beispiel Dachau zu verfahren, wo der Grundriss der Baracken durch eine kleine Ziegelmauer markiert und die Innenfläche mit Grobsplitt bedeckt ist, um den Unkrautwuchs zu verhindern. Auf die wichtigen Baracken, wie Revier, Kranken- Säuglings-, Strafblock usw., sollte durch Sichtvermerke hingewiesen werden. Gleiches gilt für den Standort des großen Zeltes, in dem unter entsetzlichen Bedingungen die aus Auschwitz-Birkenau nach Ravensbrück transportierten Frauen zusammengepfercht vegetieren mussten.

  3. Auch die Fläche, auf der sich die Küche und das Bad befanden, muss man kennzeichnen. Im Bad wurden den Gefangenen bei ihrer Ankunft die Kleidung und alle persönlichen Habseeligkeiten abgenommen, sehr vielen auch die Haare geschoren. Vor der Längsseite des Bunkers befand sich in einer großen Baracke die Lagerschreibstube, Wirkungskreis der Oberaufseherin (u.a. Thea Binz) und des Schutzhaftlagerführers. Auch dieser Ort bedarf des Hinweises.

  4. Die im Industriehof vorhandenen Gebäude sollen erhalten werden, um, versehen mit entsprechenden Bild- und Schrifttafeln, von den entsetzlichen Bedingungen, unter denen Frauen Zwangsarbeit leisten mussten, Zeugnis abzulegen (Nachtarbeit, SS-Mann Binder usw.).

  5. Das Lagertor soll in seinen ursprünglichen Zustand versetzt und – wenn möglich – eine Baracke mit “Inneneinrichtung“ rekonstruiert werden.

  6. Es ist zu prüfen, was von Uckermark, von Siemens, vom Männerlager, von den Gleisanlagen, auf denen Häftlingstransporte ankamen und das Beutegut der SS herangebracht wurde, erhalten werden kann. Beim Entladen und Sortieren des Beutegutes aus allen von den Nazis besetzten Ländern arbeiteten Häftlingsfrauen unter strenger Bewachung. Man kann auf die Solidarität dieser Frauen hinweisen, die trotz der Gefahr für ihr Leben ihren frierenden Kameradinnen heimlich Kleidung mitbrachten.

  7. Prüfen, was mit der SS-Siedlung geschehen soll.

Diese Vorschläge wurden ausgearbeitet von einer Gruppe des Internationalen Ravensbrück-Komitee unter der Leitung der Präsidentin Rose Guerin. Daran nahmen ehemalige Häftlingsfrauen aus Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Polen, der Sowjetunion, Österreich, der Tschechische Republik und Ungarn teil.