Janina Ciszewska geb. Buszkowska

geb. 1920 in Ludwikowo (Ludwigsberg), Ravensbrück: Ende August 1944 – Mai 1945, gemeinsam mit ihrer Mutter während des Warschauer Aufstandes

J. Ciszewska (Mitte) und Tochter Hanna (rechts), 30.03.2011, Foto: privat
J. Ciszewska (Mitte) und Tochter Hanna (rechts), 30.03.2011, Foto: privat

„Ich bin in 1920 Jahr in Ludwikowo (Ludwigsberg), Landkreis Kielce, geboren. Die frühe Kindheit habe ich bei den Großeltern verbracht, erst nach dem Tod der Großeltern, holte mich meine Mutter nach Warschau. Ich hatte keine Geschwister.

Im Jahr 1939 wurde mein Vater mobilisiert, er war in der Armee von General Maczek in motorisierten Regiment. Diese Armee kämpfte während des gesamten Krieges an verschiedenen Fronten. Mein Vater ist erst im Jahr 1948 nach Polen zurückgekehrt.

Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes mussten wir nach Pruszkow gehen. Von dort wurden wir in Viehwagons zum Lager Ravensbrück gebracht. Ab und zu gab es Rastpausen und die Leute vom Roten Kreuz gaben uns Wasser und manchmal ein Stück Brot. Als wir in Ravensbrück ankamen, haben sie uns zu solchen quasi Zelten ohne das Oberteil getrieben. Alles war schmutzig und voller Ungeziefer. Dort saßen wir eine ganze Woche. Dann haben sie uns in eine Badeanstalt gebracht, die Haare abgeschnitten und dann nach draußen getrieben. Zwei Tage lang hielten sie uns unbekleidet auf dem Hof fest. Und es war schon kalt, ... Dann haben sie uns Kleidung gegeben – für die Köpfe eine gestreifte Kapuze und außerdem verschiedenartige Kleider mit auf dem Rücken aufgenähten Kreuzen, weil es die gestreifte Häftlingskleidung schon nicht mehr gab. ...

Wir schliefen zu zweit auf Holzpritschen. Am schlimmsten waren die Appelle- da durfte man sich nicht bewegen - und wenn zwei oder drei Personen fehlten, rechneten sie so lange, bis es wieder stimmte. Manchmal standen wir einen halben Tag. Die Aufseherinnen mit den Hunden gingen herum.

Nach einem Monat brachten sie uns in eine Flugzeug-Fabrik. Als wir dort ankamen, schien es uns wie Ferien. Alles war neu, die Strohsäcke dufteten nach frischen Stroh, es war sauber, jede hatte ihr Bett. Aber schnell sind wir unserer Illusionen beraubt worden. Wir arbeiteten an Flugzeugteilen. Der Meister war in Ordnung. Er warnte uns, dass wir das Band nicht beschädigen dürften, sonst würden sie uns schlagen. Im Winter sagte er uns, wie wir die Maschine halten sollen, dass sie die Hände wärmte. Ein guter Mensch war er. Der zweite Meister war auch sehr nett. Viel größer als der erste, pausbackig – wir nannten ihn „ der alte Stier ”. Der Kommandant des Lagers war schrecklich. Wenn er in die Kantine stürzte, schlug er alle an die Köpfe, egal ob es einen Anlass gab oder nicht. Da war auch eine Aufseherin, die mit der Suppenkelle auf den Kopf der jeweils Nächsten in der Schlange schlug. Meiner Mutter geschah das ein paar Mal. Wenn nicht diese Aufseherinnen gewesen wären, das hätte man das alles irgendwie ertragen können.

Mir passierte einmal, dass ich in einem Kasten mit Holzspänen eingeschlafen war. Der Meister fragte alle, wo ich bin, weil eine Kontrolle sein sollte. Man hatte mich mit diesem Kasten hinter die Halle gefahren. Der Meister bemerkte, dass ein Kasten fehlte, ging ihn holen und fand mich. Er holte mich heraus und schob den Kasten so vor sich her, dass ich schnell zu meinem Platz laufen konnte.

Meine Mutter hatte die Chance nach Schweden evakuiert zu werden, weil sie krank war. Aber sie wollte mich nicht allein lassen. Übrigens war auch ich krank. Einen Monat lang konnte ich nicht sprechen, sicherlich infolge der Erschütterung. Ich ging zu Inhalationen. Und die Sprache kam mir wohl nach diesen Inhalationen zurück.

Dann hörten die Deutschen auf, massenweise zu töten, weil sie wohl verstanden, dass die Menschen für die Arbeit fehlen würden. Endlich gaben sie uns einen halben Teller Suppe am Tag und bekamen dafür die Arbeit umsonst.

Dass Russen in der Nähe waren, merkten wir an den leeren Wachtürmen. Niemand war mehr da. Die Deutschen flohen, wir blieben in dem Lager. Ohne Essen, ohne Geld, ohne Kleidung. Wir hatten nichts. Einige Soldaten sagten uns, dass sie nach Polen fahren und wir mit ihnen fahren könnten. Wir waren mit diesen Soldaten länger als einen Monat unterwegs. Wir hatten zwar etwas Angst aber wir riskierten es, hatten keine andere Wahl. Immerhin waren wir zu fünft. Sie fingen und brieten Fische, hatten Wurst und Kartoffeln. Sie gaben uns zu essen.

Als wir nach Wrzenia kamen, sperrten uns die Russen ein. Meine Mutter erklärte ihnen auf Russisch, dass wir aus dem Lager zurückkehren, aber sie glaubten uns nicht. In dieser russischen Haft saßen wir ungefähr zwei Wochen. Meine Mutter hatte einen Brief von Tadeusz, der aus Sachsenhausen geschrieben hatte. Als die Russen dieses Dokument sahen, gaben sie uns eine Bestätigung, dass wir die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können und ließen uns gehen. Mit diesem Beleg kamen wir nach Warschau.

Als mein Vater im Jahr 1948 zurückkam, verlor ich sofort meinen Arbeitsplatz. Als Grund für die Entlassung gaben sie an, dass ich "politisch unsicher“ sei. Meine Mutter war eine sehr gute Schneiderin, vor dem Krieg arbeitete sie sogar in einer Firma. Sie entschloss sich zu nähen. Und der Vater fand eine Arbeit an einer technischen Hochschule als Fahrer des Rektors. Wir bekamen eine Wohnung”.

Als wir zu den Feierlichkeiten des sechzigsten Jahrestages der Befreiung des Lagers in Ravensbrück waren, im Jahr 2005, sind wir hervorragend aufgenommen worden. In dem Museum des Lagers fand ich meinen Namen. Das erste Mal sah ich diesen Platz, wo sie die Menschen verbrannten. Während des Krieges sah ich das nicht. Am See ist das Denkmal für die Gefangenen, es wächst auch der Rosenstrauch auf dem Stacheldraht. - Das Symbol der Hoffnung… Während des Aufenthaltes in Deutschland besuchten wir auch eine Schule. Wir erzählten über das Lager, die Kinder stellten uns die Fragen. Sie haben mich gefragt, ob meine Enkel auch Deutsch können. Ich antwortete, dass sie das können. Und ich habe gesagt, dass ich selbst bedauere, dass ich kein Deutsch in der Jugendzeit gelernt hatte, weil ich mich dann besser mit meinem Meister in der Fabrik hätte verständigen können. Sie lachten. Als wir aus diesem Saal gingen, kam ein Mädchen auf mich zu, sie war ungefähr zwölf Jahre alt. Sie küsste mich auf das Gesicht und sagte auf Polnisch: „ Ich danke Ihnen, dass sie so schön über Polen erzählt haben.” Ich fragte darauf: „ Woher kannst du Polnisch? Woher kommst du? ” aber sie ist weggelaufen, ich konnte sie nicht wieder finden und niemand aus der Schule wusste, welche Schülerin Polnisch spricht.

Leider ist in Polen das Interesse der Jugend an unserer Geschichte kleiner – über Auschwitz wissen sie viel, aber über Ravensbrück wenig. Ich weiß nicht, warum.

Janina Ciszewska hat zwei Töchter aufgezogen, darunter Hanna Nowakowska; sie hat drei Enkelkinder und einen Urenkel.