Jeanine Bochat

20.06.1948, Berlin

Enkelin von Erna Lugebiel (24.08.1898 -17.11.1984) Schneidermeisterin, die auch in schwerer Zeit Mensch geblieben ist und Verfolgten mutig und ohne Rücksicht auf drohende Repressalien geholfen hat; politischer Häftling in Ravensbrück: November 1944 – 01.05.1945

interview

Erna Lugebiel

Generalsekretärin des IRK

Jeanine Bochat, Foto: privat
Jeanine Bochat, Foto: privat

Ich wurde am 20.06.1948 in Berlin geboren und bin bei meiner Großmutter Erna, genannt Mimmi, aufgewachsen, da meine Mutter beruflich viel unterwegs war. Für mich war Ravensbrück immer gegenwärtig. Ohne zu wissen, was das Wort „Lager“ eigentlich bedeutete, gehen meine ersten Erinnerungen darauf zurück, dass ich eines Tages mit unserer Zugehfrau allein zu Hause bleiben musste, weil Großmutter und Mutter zu einem Jahrestag in Ravensbrück fuhren. Zurückkommend erzählten sie von den Gesprächen mit den Kameradinnen, die ich zum Teil schon von Geburtstagsfeiern kannte, jedoch nicht mit Ravensbrück in Verbindung gebracht hatte. Nun schloss sich für mich der Kreis. Von da an habe ich die Treffen, zu denen ich stets mitgenommen wurde, aus einem anderen, bewussteren Blickwinkel erlebt. Hier traf ich Kameradinnen, die das Lager zu einer Gemeinschaft der besonderen Art zusammengeschweißt hatte. Nach Abschluss der Schulzeit habe ich Schaufenstergestalterin gelernt und in diesem Beruf in West Berlin gearbeitet. Auf Empfehlung vom Mimmi bin ich am ersten Tag meiner Lehre in die Gewerkschaft DAG eingetreten. Ich habe mich bald als Jugendvertreterin engagiert und so meinen späteren Mann, zu dieser Zeit Gewerkschaftssekretär, kennengelernt. Auf seinen Rat hin bewarb ich mich auf eine Annonce der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und fing als Verwaltungsangestellte an. Die seitdem auf diesem Gebiet erworbenen Kenntnisse wende ich heute noch als Sozialversicherungsberaterin an. Im Sommer 1973 haben wir geheiratet. Ich habe drei Kinder geboren. Heute habe ich drei Enkel. Seit 2008 bin ich in der Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis e. v. aktiv. In das IRK wurde ich als Nachfolgerin von Annemarie Müller im Jahr 2010 von der Lagergemeinschaft delegiert. Durch diese Arbeit fühle ich mich Mimmi in besonderer Weise verbunden und versuche ihrer Mahnung: “Wehret den Anfängen!“ gerecht zu werden. Im Jahre 2015 bat mich die damalige Präsidentin, Annette Chalut, als erste Vertreterin der 2./3. Generation, für das Amt der Vizepräsidentin zu kandidieren. Im Jahr 2019 wurde ich zur Generalsekretärin gewählt.

Jeanine Bochat, April 2020